Welcher Zusammenhang besteht zwischen unseren inneren Bedürfnissen und unseren Rollen im Leben? In diesem Artikel beschreibe ich, wie eine Auseinandersetzung mit diesen beiden Themengebieten zu deinem Wohlbefinden und Glück beitragen wird. Erfahre hier, wie komplex Bedürfnisse sein können und welche unterschiedlichen Rollen du im Leben einnehmen kannst. Am Ende stellt sich dann die Frage: „Ermöglichen dir deine eingenommenen Rollen/Masken im Leben eine ganzheitliche Erfüllung deiner Bedürfnisse?“
1. Die alte Frage nach dem Glücklichsein
Wie wird man eigentlich glücklich? … ist ja mittlerweile schon eine ziemlich abgedroschene Frage und kommt mir, wenn ich sie dahin schreibe, irgendwie banal und gleichzeitig unbeantwortbar vor. Dennoch, und das wird sich auch niemals ändern, ist sie eine äußerst wichtige Frage! Eine regelmäßige Auseinandersetzung lohnt sich auf jeden Fall … aber wo soll man anfangen? Es gibt unzählige Ideen und Theorien: Im Hier und Jetzt leben? Gesunde Ernährung? Mehr Dankbarkeit ins Leben bringen? Lernen „Nein“ zu sagen? Eigene Ziele definieren? Sport und Meditation? Und und und… Das sind alles ganz interessante und hilfreiche Methoden, ohne Frage. Für den einen mehr, für den anderen weniger.
In diesem Artikel möchte ich allerdings ein wenig weiter „hinaus zoomen“ und zwei relativ große, übergreifende Themenfelder beleuchten, über welche man in diesem Zusammenhang immer wieder stolpert. Das sind zum einen unsere eigenen inneren Bedürfnisse und wie wir sie erfüllen können und zum anderen unsere eingenommenen Rollen im Leben.
Beide Themen sind miteinander verflochten und hängen sehr stark mit unserem Glück / unserer langfristigen Zufriedenheit bzw. inneren Ruhe im Leben zusammen.
2. Bedürfnisse kennt doch jeder, oder?
Einfach ausgedrückt ist ein Bedürfnis eine Art von Verlangen, Wunsch oder Anspruch mit dem Ziel, einen bestehenden Mangel zu beheben. Mit dieser Definition kann irgendwie fast jeder etwas anfangen. Darüber hinaus kommt dann manchmal noch: „Gab es da nicht diese Bedürfnispyramide?“ … ja, die gab es. Und zwar schon seit ungefähr 1943! Das von dem US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow entwickelte Modell ist auch heute noch extrem verbreitet.
Obwohl die Wissenschaft und Forschung diesem Modell sehr kritisch gegenüber steht, hat sich im allgemeinen Verständnis bezüglich des Themas der Bedürfnisse leider nicht viel getan. Zwar beinhaltet diese Pyramide einige wichtige Bedürfnisfelder, sie ist aber keinesfalls als einzige Reflexionsquelle in so einem wichtigen und komplexen Themengebiet geeignet.
Geht man etwas mehr in die Tiefe stellt sich oft heraus, dass unser Verständnis für Bedürfnisse und im Besonderen über UNSERE EIGENEN Bedürfnisse doch oft sehr begrenzt ist. Und dabei rede ich noch nicht mal darüber, wie diese Bedürfnisse dann auch tatsächlich erfüllt werden können. Denn der erste Schritt muss immer sein herauszufinden, welche Bedürfnisse es denn überhaupt gibt und in welchem Maße diese Bedürfnisse auf die eigene Person zutreffen. Erst danach kann man sich an die Erfüllung dieser Bedürfnisse machen… UND DAS LOHNT SICH!
Je mehr unterschiedliche Bedürfnisse in deinem Leben erfüllt werden, desto glücklicher wirst du sein. Doch dafür musst du sie erstmal kennen …
3. Einteilung in Bedürfnisbereiche
Im Folgenden gebe ich eine Einteilungsmöglichkeit in die fünf Bedürfnisbereiche physisch, sozial, mental, emotional und spirituell. Diese Einteilung hat sich während meiner Arbeit als gute Reflexionsgrundlage bezüglich unserer Rollen erwiesen.
Die relativ breit gefassten „physischen Bedürfnisse“ ähneln den ersten beiden Stufen der Bedürfnispyramide von Maslow und sind meistens gut nachvollziehbar. Sie beinhalten so fundamentale Dinge wie Nahrung, Schlaf, eine Wohnung, Besitztümer, finanzielle Absicherung usw., aber auch Erholung, Gesundheit, Wärme oder Ausgleich.
Auch die „sozialen Bedürfnisse“ nach z.B. Nähe, Gemeinschaft, Austausch, Sexualität oder Anerkennung kann man in diesem Modell finden.
Zusätzlich wird noch das Bedürfnisfeld der „mentalen Bedürfnisse“ nach gedanklicher Stimulation (lernen, planen, denken,…) mit aufgenommen. Mit diesen ersten drei Bereichen können die meisten Menschen direkt etwas anfangen.
Etwas schwieriger wird es dann schon mit unseren „emotionalen Bedürfnissen“. Diese würde ich als das Verlangen beschreiben, unsere vorhandenen Gefühle (z.B. Angst, Wut, Freude, Trauer, Schmerz,…) zu spüren UND dann auch passend ausdrücken zu können. Spätestens hier gibt es bei vielen Personen die ersten Widerstände, da diese „emotionalen Bedürfnisse“ einerseits oft völlig verdrängt werden bzw. ein nur sehr geringer Zugang zu diesem Bedürfnisfeld vorhanden ist (verstärkt bei Männern der Fall). Auf der anderen Seite kann aber auch ein passender und ganzheitlicher Emotionsausdruck Probleme bereiten, wenn die Emotionen tatsächlich gespürt werden. Die Regulation dieser Emotionen fällt dann schwer und es kommt zu ungesund langanhaltenden oder überschwänglichen „Emotions-Wasserfällen“, die nicht gestoppt werden können und manchmal über Wochen, Monaten, manchmal Jahre nicht mehr versiegen.
Das letzte Bedürfnisfeld in dieser Reihe sind die „transzendenten oder spirituellen Bedürfnisse“. Dieses Feld ist in der Regel noch schwieriger zu fassen als unsere emotionalen Bedürfnisse. Ich würde es zweierlei beschreiben. Zum einen ist es ein Wunsch nach „Einssein mit sich selbst“, z.B. in Form von Selbstverwirklichung, Authentizität, oder einem Gefühl der Integrität bzw. inneren Ruhe. Zum anderen ist es gleichzeitig ein Verlangen nach einer Verbindung mit „allem was ist“, z.B. in Form von Altruismus, Sinnhaftigkeit, oder einem Beitrag zum Allgemeinwohl bzw. der Welt als Ganzem.
In diesem Themenfeld der Spiritualität herrschen sehr viele Missverständnisse und Vorbehalte. Diese sind zum Teil durchaus nachvollziehbar, aber in vielen Fällen auch völlig übertrieben. Auch wenn dieser Bedürfnisbereich sich im alltäglichen Leben vielleicht weniger dominant als andere in den Vordergrund drängt, sollte doch die Existenz und Wichtigkeit dieser Bedürfnisse heutzutage nicht mehr angezweifelt werden. Selbst Maslow erweiterte seine Bedürfnispyramide kurz vor seinem Tod (1970) noch um die Ebene der Transzendenz.
4. Verbindung von Bedürfnissen und Rollen
Auf allen fünf Bedürfnisebenen (physisch, sozial, mental, emotional und spirituell) solltest du dein eigenes Leben einer Prüfung unterziehen. Welche Bedürfnisse sind ganz gut abgedeckt? Bei welchen empfindest du noch irgendeine Art von Mangel? Mit welchen kannst du gar nichts anfangen? Erst wenn dies geschehen ist, kannst du dich gezielt an eine Veränderung der Umstände machen, die diese Bedürfnisse dann auch langfristig erfüllen werden.
Wenn es doch so einfach wäre…leider wollen die äußeren Umstände da manchmal nicht mitspielen. Selbst wenn du deine eigene innere Welt komplett verstanden hast und weißt, was dich glücklich macht und wie du deine Bedürfnisse erfüllen kannst, musst du es immer noch mit der äußeren Welt in Verbindung bringen bzw. abgleichen. Und hier kommen jetzt deine in der Gesellschaft eingenommenen Rollen ins Spiel. Diese „Charakter-Masken“, manchmal auch als „Lebenshüte“ bezeichnet, sind quasi die Schnittstelle zwischen dir und der Außenwelt.
Die große Frage lautet dabei: Ermöglichen dir deine eingenommenen Rollen/Masken im Leben eine ganzheitliche Erfüllung deiner Bedürfnisse?
5. Was sind denn Rollen überhaupt?
Wir alle haben eine Vielzahl von Rollen/Masken im Leben. Manche ergeben sich ganz natürlich (Mutter, Erstgeborener, Tochter, Bruder, Nachbar, Freund, Partner, …) andere eher durch unsere Aktivitäten im Leben (Angestellter bei Firma X, Vereinsmitglied, Blogger, Umweltaktivist,…). Eine dritte Kategorie von Rollenbezeichnungen bezieht sich wiederum mehr auf uns zugeschriebene Eigenschaften (Trösterin, „der Starke“, „die Liebe“, armes Opfer, Klassenclown, Partylöwe, Provokateur,…).
„Die ganze Welt ist Bühne“ meinte schon Shakespeare…und das ist nicht immer eine schlechte Sache. Unsere Rollen geben uns Halt im Leben und helfen uns im sozialen Miteinander. Außerdem geben sie uns häufig einen sicheren Rahmen, sowie Orientierung in schwierigen oder neuen Situationen. Des Weiteren können Rollen dazu beitragen, bestimmte Teile unserer Persönlichkeit besser auszudrücken. Zu guter Letzt und das ist für diesen Artikel hier relevant, können sie dabei helfen, dass wir uns unsere Bedürfnisse erfüllen können. Bevor ich darauf eingehe, ist es aber auch wichtig, sich die möglichen Schattenseiten von Rollen kurz zu vergegenwärtigen.
6. Gefahren des Rollenspiels
Unser Rollenspiel kann uns manchmal auch ganz schön einengen und vereinnahmen. Das gilt besonders, wenn wir sehr viele Rollen einnehmen oder uns mit „unguten“ Rollen identifizieren (z.B. „das arme Opfer“, „der Prügelknabe“, „die Außenseiterin“ usw.). Auch kostet uns das Schauspiel in manchen Rollen oft viel Energie und Konzentration, die eigentlich woanders besser eingesetzt werden könnte. Viele von euch kennen sicher auch so ein Gefühl von „ausgelaugt sein“, wenn man lange Zeit mit Menschen verbringt, wo man sich verstellen muss und nicht zu hundert Prozent einfach loslassen kann.
Die größte Gefahr in Bezug auf unsere Masken sehe ich aber in dem Risiko, sich langfristig in seinen Rollen zu vergraben und den Kontakt zu seinem inneren eigenen Kern Stück für Stück zu verlieren. Denn selten stimmen Persönlichkeit und Maske überein. Viel öfter ist da leider das genaue Gegenteil. Wir geben ein Stück unserer Authentizität auf und füllen eine Rolle aus. Das Verhalten in der Rolle steht dann des Öfteren im Konflikt mit unseren eigentlichen inneren Bedürfnissen, denn die Rollen dienen häufig hauptsächlich dem unkomplizierten Umgang mit anderen Personen bzw. der Außenwelt.
Diese Verbindung zu deinem natürlichen Selbst, zur eigenen Authentizität, ist aber sehr wichtig. Denn genau in diesem authentischen Kern findest du die wichtigen Bedürfnisse, deren Befriedigung dich glücklich macht.
Deine Masken im Leben sollten dir bei der Erfüllung genau dieser Bedürfnisse helfen. Den Kontakt zu ihnen sollten sie nicht behindern oder gar versperren!
7. Zwei Beispiele: Rollen erfüllen Bedürfnisse
Werfen wir nochmal einen konkreteren Blick auf den Zusammenhang zwischen Rollen und Bedürfnissen. Im Folgenden nehmen wir mal die klassische Rolle eines Angestellten als ein Beispiel. Dabei schildere ich in Szenario 1, wie durch diese Rolle viele Bedürfnisse abgedeckt werden könnten und dann nochmal das Gegenteil in Szenario 2. Ich benutze die von mir zuvor beschriebene vereinfachte Darstellung der Bedürfnisse (physisch, sozial, mental, emotional, spirituell). Immer wenn das Bedürfnis für die Person signifikant erfüllt wird, schreibe ich es in Klammern dahinter. Achtung! Die Beispiele sind bewusst etwas überzogen, um das Prinzip dahinter zu verdeutlichen.
Szenario 1: Da ich mir meine Arbeitszeit frei einteilen darf, schlafe ich meistens aus (physisch) und kann in der Regel mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren (physisch). Mit meinen Arbeitskollegen verstehe ich mich blendend (sozial) und habe sogar einen Kollegen, bei welchem ich regelmäßig wirklich mein Herz öffnen kann (emotional). Insgesamt finde ich meine Arbeit sehr stimulierend (mental) und wenn mir danach ist, kann ich in den wunderbaren Pausenräumen immer zur Ruhe kommen und etwas meditieren (spirituell).
Szenario 2: Ich quäle mich müde und noch im Dunkeln aus dem Bett. Auf überfüllten Straßen fahre ich mit meinem Auto zur Arbeit. Ich sitze den ganzen Tag mit Rückenschmerzen am Schreibtisch. Mit meinen Arbeitskollegen habe ich eigentlich nix zu tun und meine Arbeit finde ich nicht wirklich fordernd. Wenn ich dort bin, fühle ich mich richtig leer und allein. Das Einzige, was mir dieser Job eigentlich bringt ist Geld (physisch).
Diese Betrachtungsweise und Prüfung lässt sich prinzipiell auf alle anderen Rollen im selben Maße anwenden. Sei es die Rolle als Partner, Bruder, Vereinsmitglied oder Klassenclown. In irgendeiner Weise tragen die Rollen in deinem Leben zu deiner Bedürfnisbefriedigung bei…oder eben auch nicht.
8. Erfüllen deine Rollen deine Bedürfnisse?
Diese Frage solltest du dir regelmäßig stellen! Oft erlebe ich in meinen Beratungen, dass ganze Bedürfnisbereiche bei den Rollen überhaupt nicht auftauchen bzw. nur sehr vereinfacht abgedeckt werden. Das rührt oftmals aus der Tatsache, dass genau die Rollen im Leben, welche die meiste Zeit und die meisten Ressourcen beanspruchen, keine oder nur sehr wenige Bedürfnisse erfüllen. Ist das der Fall, können die „besseren Rollen“ in deinem Leben einfach aus Grund von Zeitmangel ihre Wirkung nicht entfalten und bei der Befriedigung deiner Bedürfnisse nur unzureichend mithelfen.
Ich denke, dass unsere Rollen, zumindest in ihrer Gesamtheit dazu beitragen sollten, unsere Bedürfnisse so optimal wie möglich zu erfüllen. Um dies zu erreichen benötigt es eine Balance zwischen den verschiedenen Rollen untereinander und auch zu dem eigenen authentischen Selbst. Erst die Verbindung zu deinem Kern gibt dir den benötigten Einblick in deine Bedürfniswelt.
Sich um seine Bedürfnisse und Rollen zu kümmern ist eine Form von Selbstfürsorge und dabei keinesfalls egoistisch oder gar narzisstisch. Es ist die Basis für dein Glück und sogar eine wichtige Grundvoraussetzung für einen erfüllenden Kontakt zu anderen Personen.
Vielen Dank, dass du meinen Artikel gelesen hast. Ich hoffe er kann dich dazu inspirieren, deine inneren Bedürfnisse besser kennenzulernen und sie dann mit deinen eigenen Rollen in Verbindung zu bringen. Ich gebe in regelmäßigen Abständen Seminare oder auch Einzelberatungen zu diesem Thema. Eine Auseinandersetzung mit deinen Bedürfnissen und Rollen lohnt sich! Hier gehts zu meiner Seminar-Übersicht.
Für mehr Informationen schau einfach auf meine Homepage www.lutzfriedrich.com, meine Facebook-Seite oder schreib mir eine Mail an lutzfriedrich@mail.de.
Ich wünsche dir alles Gute auf deinem Weg.
Lutz Friedrich
Master-Psychologe, Coach, Struktur-Experte, Personell Consultant.
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