Wieso fällt es vielen Menschen so schwer, langfristig in einer erfüllenden Beziehung zu leben? Einer der wichtigsten Gründe ist zweifellos, dass beide Partner einfach unterschiedliche „Sprachen der Liebe“ verinnerlicht haben und sich noch nie um eine detaillierte Übersetzung bemühten. Denn was nützt die Zuneigung/Wertschätzung/Liebe, wenn sie einfach bei der anderen Person nicht ankommt?
Der Klassiker in diesem Bereich und einigen von euch vielleicht schon bekannt, stammt von Gary Chapman. Sein 1992 veröffentlichtes Buch „Die 5 Sprachen der Liebe“ ist eines der meistgelesenen Beziehungsratgeber mit riesigem Einfluss. So gut und wichtig der Inhalt auch ist, es wird Zeit für eine sechste „Sprache der Liebe“. Im folgenden Artikel werde ich die Wichtigkeit dieses Themas erläutern, um dann zu beschreiben, warum die Gedanken von Gary Chapman in unserer jetzigen Zeit, fast 30 Jahre später, zwingend erweitert werden müssen.
(Ich habe zu dem Thema auch einen eigenen Fragebogen entwickelt. Infos dazu findest du hier: Fragebogen- die 6 Sprachen der Liebe)
1. Warum ist dieses Thema so wichtig
Für das persönliche Glück und für ein erfüllendes Zusammenleben in zwischenmenschlichen Beziehungen ist es sehr hilfreich, wenn man die eigene „Sprache der Liebe“, sowie die seiner Nächsten kennt. Dieses Wissen kann man dann anwenden, damit die Zuneigung untereinander besser fließen bzw. auch beim Gegenüber oder einem Selbst überhaupt ankommen kann.
Oft sind wir Menschen sehr willens, anderen etwas Gutes zu tun und investieren viel Zeit und Mühe, um dann am Ende irgendwann enttäuscht festzustellen, dass einfach wenig bis gar nichts beim anderen ankommt. Andersherum wird es noch deutlicher. Wir fühlen uns vielleicht nicht von unserem Partner, Freund oder Familienmitglied wertgeschätzt bzw. geliebt und verzehren uns regelrecht nach ein wenig Zuneigung. Vielleicht gibt dir die andere Person aber gerade sehr viel, nur eben nicht das, was du eigentlich brauchst. Ist es nicht sinnvoll, sich darüber intensiv auszutauschen?
Sprichst du die „Liebessprache“ deines Beziehungspartners, ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass deine Zuneigung den anderen auch erreicht und ihn/sie somit bereichert. Mit der dadurch entstandenen Kraft fließt dann auch sehr wahrscheinlich wieder etwas zurück, vorausgesetzt der andere kennt deine „Liebessprache“ mit all ihren Dialekten und Feinheiten.
Dieses Wissen kann in Freundschaften, Partnerschaften und gegenüber der eigenen Familie, im Speziellen auch gegenüber Kindern super angewendet werden. Überall können wir uns gegenseitig helfen, unsere „Liebestanks“ wieder aufzufüllen und glücklich zu sein.
Wichtig ist die Erkenntnis, dass, nur weil eine Sache sich für dich total wichtig und schön anfühlt, es bei der anderen Person nicht unbedingt auch so sein muss. Und was dich vielleicht völlig kalt lässt, ist für den nächsten ein wichtiger, zutiefst berührender „Akt der Zuneigung“. Jeder Mensch ist individuell unterschiedlich und das sollten wir auch bei den „Formen der Liebe“ berücksichtigen.
Je mehr „Sprachen der Liebe“ wir sprechen, desto flexibler können wir uns für Glück öffnen und in Beziehungen wachsen. Und die gute Nachricht lautet, es ist möglich und sinnvoll, seine „Sprachkenntnisse“ in allen Kategorien zu verbessern, egal ob es sich nun um den gebenden oder den aufnehmenden Part handelt.
2. Die klassischen fünf Sprachen der Liebe
Die Sprachen der Liebe haben viel mit Bedürfnissen, im Besonderen mit sozialen Bedürfnissen, zu tun. Auch wenn wir es manchmal nicht zugeben, geht es uns bewusst oder unbewusst in Beziehungen in sehr großen Anteilen um eine Bedürfnisbefriedigung. Auch wenn die Liste dieser Bedürfnisse sehr lang und differenziert ist, haben sich folgende Kategorien etwas hervorgetan bzw. herauskristallisiert. Bei meiner Arbeit als Beziehungsberater zeigen sich regelmäßig die folgenden fünf Liebessprachen, welche im Endeffekt mit denen von Gary Chapman fast identisch sind.
Lob und Anerkennung
Freundliche und ermutigende Worte, welche dir zeigen, dass die andere Person dich wertschätzt. Komplimente sind wirkungsvolle Kommunikatoren der Liebe, auch wenn wir uns das oft nicht zugestehen wollen. Lob ist heutzutage etwas verpönt, da es oft mit einem überhöhten Ego gleich gesetzt wird. Dies ist sehr schade, denn Lob und Anerkennung sind wichtige und relativ einfache Möglichkeiten eines Ausdrucks von Liebe/Wertschätzung. Wenn du stolz, beeindruckt oder fasziniert von deinem Gegenüber bist, warum nicht einfach mal raus damit?
Zweisamkeit
Bei der Sprache der Zweisamkeit wird es oft als wichtig empfunden, dass man Zeit miteinander verbringt, am besten noch bei einer gemeinsamen Tätigkeit und gegenseitiger ungeteilter Aufmerksamkeit. Menschen, welche vermehrt die Sprache der Zweisamkeit sprechen, genießen es oft, mit dem Partner/der Partnerin sich über Erfahrungen, Gedanken, Gefühle und Sehnsüchte in einer entspannten Atmosphäre gegenseitig auszutauschen. Dabei sind Augenkontakt, Aufmerksamkeit und verständnisvolle Rückfragen die Würze, die das Ganze dann unwiderstehlich machen.
Geschenke
Schon als Kinder lieben wir nicht nur „das Beschenkt werden“, sondern auch „das Schenken an sich“. Im Erwachsenenalter hat sich daran eigentlich nichts verändert. Trotzdem haben viele Menschen diesen Liebeskanal etwas verlernt oder ihn mit Scham besetzt. Aber keine Angst, von allen Liebessprachen kann man diese am einfachsten wieder lernen. Vom Herzen kommende Geschenke sind ein sichtbares Zeichen der Liebe. Dabei ist nicht nur der flüchtige Gedanke wichtig, sondern ein in Handeln umgesetztes Aussuchen und Übergeben, welches zeigt, dass die andere Person sich über meine Wünsche genaue Gedanken gemacht hat. Dabei müssen es meistens keine großen Geschenke sein, eine kleine Aufmerksamkeit hier, eine liebe Textnachricht dort sind oft mehr als genug. Auch kann man natürlich nicht nur etwas Materielles verschenken. In Krisenzeiten da zu sein, wenn der andere uns braucht, ist ein unmissverständliches Signal für denjenigen, dessen persönliche Liebessprache das Schenken ist.
Hilfsbereitschaft
Bei dieser Sprache der Liebe geht es um Unterstützung mit Rat und Tat. Kleine und große Gefälligkeiten für das Gegenüber. Und zwar, wie auch bei den anderen Sprachen der Liebe, freiwillig! Man möchte dem andern einfach eine Freude machen, ihm/ihr etwas Gutes tun, indem man der Person einen Dienst erweist. Und das ist ein Ausdruck von Liebe. Der andere freut sich über Unterstützung bei seinen Projekten und das nicht nur in schwierigen Zeiten.
Körperlichkeit
Händchen halten, Streicheln, Massieren, Umarmen, Küssen, Sex. Es gibt viele unterschiedliche Formen von Körperlichkeit. Für denjenigen, dessen persönliche Liebessprache die Körperlichkeit ist, wird jede Berührung eine deutlichere Botschaft der Zuneigung senden, als ein verbales Kompliment, Geschenke oder ein gutes Gespräch. Bei dieser Liebessprache sollte man aufpassen, dass sie nicht zu sehr von Sexualität dominiert wird. Wenn sich Wertschätzung ausschließlich durch Sexualität geholt wird und andere Formen der Körperlichkeit nur Hilfsmittel zur Sexualität sind und somit nicht auch isoliert einen Wert haben, sollte man sehr achtsam sein. Körperlichkeit, so wie ich sie hier beschreiben möchte und wie sie auch ein Bedürfnis nach Zuneigung stillt, ist ganzheitlicher Natur und feiert viele Formen der Berührung.
3. Die sechste Sprache der Liebe
Kommen wir jetzt zur sechsten Sprache der Liebe. Werfen wir dafür noch mal einen Blick auf Gary Chapman. Er ist ein US-amerikanischer Pastor mit, sagen wir mal, stark „amerikanisch-christlich-konservativ“ geprägten Werten. Der Bund der Ehe steht beispielsweise über allem. Destruktiv abhängige Verhaltensweisen scheinen ihm nicht wirklich ein Begriff und so kann es schon mal sein, dass er in seinem Buch dazu rät, dass die (Ehe-)Frau auch mal „über ihren Schatten springen müsse“, um beispielsweise ein sexuelles Bedürfnis Ihres Partners regelmäßig zu erfüllen. Ich möchte an dieser Stelle allerdings keine Buch-Rezession schreiben, sondern nur darauf hinweisen, dass hier eine Erweiterung anstehen muss. Ein Aspekt fehlt beispielsweise auch völlig, welcher sich in der sechsten Sprache der Liebe findet. Sie lautet…
Freiheit (oder etwas präziser „Akzeptanz sowie Unterstützung von Autonomie und unabhängigem, individuellem Prozess“ 😉 )
Unabhängige Entwicklung, Autonomie, Freiheit sowie bewusste Distanz sind für Beziehungen ebenso wichtig wie Zweisamkeit. Wir alle haben ein Bedürfnis, mal unseren eigenen Weg zu gehen. Und genau darum dreht sich diese Liebessprache. Dieser Wunsch ist bei manchen mehr, bei manchen weniger stark ausgeprägt. Das Bedürfnis der Autonomie ist allerdings bei allen Menschen vorhanden, ob wir das nun wahrhaben wollen oder nicht. Getrennte Zeit, um den Kontakt zu sich selbst nicht zu verlieren und Erfahrungen auch jenseits der anderen Person machen zu dürfen sind sehr wichtig, auch für die Beziehung. Leider merken dies viele Menschen erst, wenn es plötzlich (und „unerwartert“) in Form von Streit, Betrug, Trennung oder Rückzug zum Vorschein kommt. Wenn dich Freunde oder Familienmitglieder auf deinem individuellen und unabhängigen Weg unterstützen, wird das allgemein befürwortet. Warum nicht auch in einer Partnerschaft? Hier gelten fälschlicherweise eher Ideale der Verschmelzung bzw. einer Angst, sich als Einzelpersonen zu weit voneinander zu entfernen.
Dieses Bedürfnis nach Freiheit sollte meiner Ansicht nach zwingend in eine Beziehung integriert oder zumindest als ein Bedürfnis wahrgenommen werden, um längerfristiges Glück zu sichern. Oder noch viel besser wäre es, die sechste Sprache der Liebe als eine ebenbürtige Quelle von Liebe und Zuneigung zu verstehen. Denn ohne Zweifel kann Liebe fließen, wenn man den anderen auf seinem Weg und bei der Erfüllung seiner Bedürfnisse unterstützt, auch wenn sie wenig bis gar nichts mit einem selbst zu tun haben sollten. Es kann einer der größten Liebes- oder Vertrauensbeweise sein, den man von einer anderen Person bekommen kann und somit die Beziehung auf tiefen Ebenen stärken. Es ist ein wunderschönes Gefühl und wahre (fast) uneigennützige Wertschätzung des anderen. „Fast“ uneigennützig ist es deshalb, da der andere dadurch selbst auch in einer glücklicheren Beziehung mit dir leben wird 😉 .
4. Was ist bei den Sprachen der Liebe zu beachten?
Bei allen „Liebessprachen“ gilt es, eine wichtige Sache besonders zu beachten. Als Liebesbeweis zählt es nur, wenn die andere Person es freiwillig ausdrückt mit dem Ziel, dir etwas Gutes zu tun. Aus Schuld- oder Pflichtbewusstsein heraus bzw. als ein bewusster Manipulationsversuch ist es kein wirklicher Ausdruck von Zuneigung und kommt auf lange Sicht beim anderen auch nicht an.
Auf der Suche nach der eigenen Liebessprache solltest du immer überprüfen, ob du nicht einfach auch aus Gewohnheit oder familiären bzw. gesellschaftlichen Vorbildern handelst/empfindest. Nur weil dein Vater immer Geschenke für seine Mutter nach Hause brachte und deine Mutter sich darüber sehr freute, heißt das noch lange nicht, dass das auch bei dir so sein muss. Vergiss, wenn möglich, alle von Familie oder Gesellschaft vorgegebenen Werte. Hier geht es darum, was tatsächlich bei dir vorhanden ist, nicht darum, wie es vielleicht laut XY sein sollte. In den meisten Fällen lassen sich nämlich tatsächlich bestimmte Vorlieben feststellen. Das heißt, manche Menschen sind einfach sehr empfänglich für Unterstützung, wobei anderen bei einem lieben Kompliment das Herz aufgeht. Andere sind mit Liebe durchflutet, wenn der Partner einem bei der Planung einer Wanderung unterstützt, wo er/sie selbst nicht teilnimmt.
Diese Vorlieben sind natürlich nicht in Stein gemeißelt und in kontinuierlicher Veränderung! Wichtig ist auch, dass unbedingt die jeweilige aktuelle Situation mit berücksichtig wird. Wenn deine Muttersprache der Liebe beispielsweise normalerweise Lob und Anerkennung ist, du dich aber im Moment allein um drei Kinder kümmern musst, kann die Hilfsbereitschaft einer anderen Person sehr reizvoll für dich sein und dich stärker mit Dankbarkeit und Liebe aufladen, als das schönste Kompliment der Welt. Ein anderes Beispiel wäre es, wenn ein geliebter Mensch in deinem Umfeld stirbt. Dann kann eine Umarmung von einem Freund in diesem Moment das Wichtigste für dich sein, auch wenn Körperlichkeit normalerweise vielleicht nicht deine Lieblingssprache der Liebe ist.
Eine Kommunikation über diese Themen ermöglicht es in Partnerschaften/ Gemeinschaften/ Familien viel zielgerichteter und erfolgreicher eure Liebe oder Zuneigung mit einander zu teilen. Das Ergebnis sind zufriedenere Menschen und Beziehungen. Dabei bitte die tatsächliche verbale Kommunikation nicht vergessen. Das heißt, tauscht euch direkt und gezielt über dieses Thema aus. Eine Massage beispielsweise ist für den einen Zweisamkeit, für den nächsten Körperlichkeit und für den Dritten eine Form der Hilfsbereitschaft bei Rückenschmerzen 🙂 .
5. Woher weiß ich, was meine Sprachen der Liebe sind?
Es gibt verschieden Möglichkeiten, sich über seine Liebessprachen bewusst zu werden. Eine Variante besteht zum Beispiel darin, sich regelmäßig folgende Fragen zu stellen.
- Wodurch wird mir am deutlichsten bewusst, dass eine andere Person mich wertschätzt/liebt? Wann habe ich das mal am deutlichsten gespürt?
- Wonach sehn ich mich am meisten bei anderer Menschen?
- Was kränkt mich ganz besonders am Verhalten anderer Personen? (Das Gegenteil hat wahrscheinlich einen Zusammenhang zu deiner persönlichen Liebessprache)
- Wie gebe ich selbst anderen Menschen Zuneigung?
Eine andere Möglichkeit wäre eine Art Ausschlussverfahren. Wenn du eine dieser sechs Liebessprachen aufgeben müssten, auf welche könntest du am ehesten verzichten? Auf welche als nächstes? Und so weiter.
Da dieses Thema in Beziehungen allgemein und auch bei meinen Beziehungsberatungen regelmäßig eine große Wichtigkeit einnimmt, habe ich einen Fragebogen zu den sechs Liebessprachen entworfen. Er wurde nach wissenschaftlichen Standards erstellt, getestet und dauert ca. 10 Minuten. Dort erfährst du sehr detailliert, welche Formen der Zuneigung/Wertschätzung/Liebe von anderer Personen verstärkt bei dir ankommen, bzw. welche vielleicht im Moment weniger mit dir im Einklang stehen.
Mehr zum Fragebogen erfährst du unter folgendem Link: Fragebogen: Die 6 Sprachen der Liebe
Vielen Dank, dass du diesen Blog-Artikel gelesen hast. Was sind deine Gedanken dazu? Schreibe gerne einen Kommentar. Falls ich dich/euch in Beziehungsthemen unterstützen kann, kannst du mich einfach per mail kontaktieren (lutzfriedrich@mail.de).
Für mehr Informationen schaue auf meine Homepage www.lutzfriedrich.com oder meine Facebook-Seite.
Ich wünsche dir alles Gute auf deinem Weg.
Lutz Friedrich
Master-Psychologe, Beziehungsberater, Coach, Struktur-Experte, Personell Consultant.
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